Gedanken zum Werk von Eva Kunstmann

 

Malweiber gab es schon lange, besonders in Schwa­bing. Haftete ihnen gegen Ende des 19. Jahrhunderts noch ein exklusiver, antibürgerlicher Ruch an, so ver­schwanden sie in den Wirren der Kriege des letzten Jahrhunderts gänzlich aus dem Bewusstsein der Öf­fentlichkeit. Danach - in der Zeit der jungen Demo­kratie und des nun erlaubten Ausblicks auf die künstlerische Situation der Nachbarländer - präsen­tierten sich bildende Künstlerinnen zahlenmäßig und moralisch gestärkt einem neugierigen Publikum. Sel­biges nahm sie auch schnell an und gewährte ihnen mindestens so viel Spielraum wie ihren männlichen Kollegen, sie waren nun zu Maldamen geworden! Na­türlich wurden sie auch mit den Qualitätsansprüchen, die man an ihre männlichen Kollegen stellte, gemes­sen. Das aber tolerierten sie sehr rasch und began­nen das männlichkünstlerische Potential durchaus in Frage zu stellen.

 

Schwieriger wurde es aber für Maler- und Bildhaue­rinnen, sich in der allmählich globalisierten "Szene" zu­recht zu finden und sich in einer individuell zuge­schnittenen Sehweise künstlerisch auszudrücken. Seit Josef Beuys hatte nämlich eine totale Beliebigkeit im Kunstbegriff Einzug gehalten. Um sich noch abzuhe­ben, war voller Persönlichkeitseinsatz gefragt.

 

Das spürte wohl auch die junge Eva Kunstmann und so verließ sie - nach einer schicksalshaften Entschei­dung - die Musikkunst, um zur erdenschweren Bild­kunst zu wechseln.

 

Bemühte sie sich anfänglich noch um die Bewältigung einer realistischen Erscheinungsform, so entwickelte sie langsam, aber nachdrücklich eine freie Bilderwelt mit eigener Gesetzlichkeit. Ihre Farbformen lösten sich vom Grund, entwickelten Eigendynamik, immer in Bewegung, seltener tauchten nun in ihren Bildwelten ihre früheren - an Giacometti erinnernden - "Marionetten" auf, von manchem Be­trachter mit Bedauern wahrgenommen. Figürliche Re­likte wandelten sich zu emporstrebenden oder absin­kenden "Farbbahnen". Auf ihnen ruhen oder tummeln sich frecherweise neue Gebilde, arabeskengleich oder noch Assoziationen an Naturerscheinungen zulas­send, aber immer vom Kunstmann'schen Duktus ge­prägt. Manchmal wuchern sie formatüberschreitend, die Bildfläche verlassend. Malgründe, die ich mehr als "Bahnen" bezeichnen möchte, werden zu eigenen Farbräumen, die Binnenform steigernd oder beschwichtigend. Zufälligkeiten oder Materialuneben­heiten des Bildträgers werden zu Gestaltungsele­menten. Kalligraphische Zutaten lassen an asiatische Zeichenhaftigkeit denken. Selbst zu Materialzugaben entschließt sich Eva Kunstmann öfter, manchmal blitzt sogar ein fast sakraler Goldstreif auf. Was dem Be­trachter als besondere Leichtigkeit vor Augen tritt, eventuell sogar als zufällig erscheint, wurde mit gro­ßer Ernsthaftigkeit gearbeitet. Mittigkeit wird das Kom­positionsprinzip von Eva Kunstmann, ohne dass lang­weilige Symmetrie entsteht.

 

Seit 23 Jahren arbeitet sie ausschließlich an ihrer ei­genwilligen Bildwelt, immer auf werkimmanente Stei­gerung bedacht. Selten stellt sie ihre Malerei irgendwo zur Schau. In ihrem Schwabinger "Quartier" gestattet sie sich die meditative Intensität, die sie für ihre Gestaltungen benötigt. Ruhe und Sinnlichkeit werden ebenso vom Betrachter verlangt, um die Bild­entscheidungen zu erfassen.

 

Trotzdem ist es ihr gelungen, sich einen exclusiven Kreis vergleichbereiter "Augenmenschen" zu erschließen, der ihre künstlerische Entwicklung regelmäßig beob­achtet. Dass es sich bei ihrem Werk seit langem um sogenannte abstrakte Bilder handelt, fällt niemand mehr auf, man ist ja auch seit Kandinsky daran ge­wöhnt. Eher schon wird mancher Kunstfreund durch das bei Eva Kunstmann oft auftretende Schwarz irri­tiert.

 

Bei mir Zuhause hängt ein Opusculum - eine Glück­wunschkarte - von Eva: ein "Engel" betitelter diagonal aufstrebender, schwarzer Klecks - von einem ocker­farbenen Rechteck begrenzt - und diese simple Chif­fre strahlt für mich eine von uns allen bitter benötigte Gelassenheit aus.

 

Eva Kunstmann wird ihre intensive bildnerische "Welt­anschauung" noch lange fortsetzen. Es ist ihr und uns zu wünschen.

 

Rosenheim im Herbst 2008                          Rolf Märkl